Pfingsten ist ja in der christlichen Tradition auch das Fest der Vielsprachigkeit, weil die Jünger (und Jüngerinnen?) an diesem Tag „begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab“. (Apostelgeschichte, 2, 1-4) Ob sie die Sprachen wirklich konnten, weiß man nicht, aber es ist eine schöne Geschichte.
Und sie erinnert mich an die häufig von Laien gestellte Frage, ob man als Sprachwissenschaftler mehrere Sprachen lernen bzw. können muss. Ebenso verbreitet wie die Frage ist die Antwort vieler Linguisten, sie bräuchten nur eine Sprache. Das kann man so machen, aber mehr als theoretisches Wissen erreicht man so nicht. Da halte ich es lieber mit dem guten alten Goethe, der in seinen „Maximen und Reflexionen“ geschrieben hat: „Wer fremde Sprachen nicht kennt, weiß nichts von seiner eigenen.“ Als Linguist sollte man nicht nur ein Interesse an fremden Sprachen haben, sondern auch eine Neugier auf sie, denn auch bei den Sprachen erweitert die Erfahrung der Vielfalt den Horizont.
Zum Studium der Romanistik hat es zu meinen Studienzeiten die Empfehlung gehört, außer dem Französischen mindestens auch Spanisch und Italienisch zu lernen. Daran habe ich mich gehalten, aber es hat mir nicht gereicht, ich wollte mehr. So lernte ich in Kursen und im Selbststudium Grundkenntnisse der „weniger wichtigen“ Sprachen wie Katalanisch, Okzitanisch und Rätoromanisch. In allen Fällen interessierten mich auch die soziolinguistischen Verhältnisse und die Entwicklungschancen der Sprachen – oder die Gründe für ihr Aussterben.
Die ganz guten Romanisten gehen sogar noch weiter: Der Romanistik-Professor, von dem ich am meisten gelernt habe (Christoph Schwarze – später auch mein Doktorvater), hat auch versucht in einem Bretonisch-Seminar durch das gemeinsame Erlernen der Grundlagen einer nicht-romanischen, aber in Frankreich gesprochenen Sprache auch die Besonderheiten der romanischen Sprachen besser zu erkennen.
Die Antwort auf die Frage, wieviele Sprachen man lernen soll, muss auch auĂźerhalb der Sprachwissenschaft lauten: Besser „zu viele“ als zu wenige! Auch in den Gymnasien sollten die Grundlagen in mehreren Sprachen vermittelt werden (also mehr als nur Englisch und Französisch). Alles weitere lernt man am besten durch „learning by doing“.
Und wohin man auch reist, der Respekt gegenüber den Einheimischen verpflichtet dazu, die wichtigsten Wörter und Sätze der Sprache eines Gastlandes zu lernen. Wie ein bisschen Arabisch ihm die Türen zu den Einheimischen in Algerien geöffnet hat, war die Geschichte meines ersten Französischlehrers, an die ich mich noch am besten erinnern kann.